Rettungswege
Grundsätzliche Festlegungen im öffentlichen Bereich
Breite von Rettungswegen
Rettungswege sind laut MBO so breit anzulegen, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen. Die sich aus diesem Schutzziel ergebende Breite der Rettungswege ist in Einrichtungen für behinderte Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsstufen an die Nutzerzusammensetzung anzupassen.
Die Nutzerzusammensetzung und hier die Anzahl an H4 bis H6 eingestuften Nutzern, bestimmt maßgeblich die erforderliche Breite der Rettungswege. Gehbehinderte Nutzer benötigen eine breitere Gehfläche und können den Personenfluss behindern. Je nach Evakuierungskonzept erfüllen Teile der Rettungswege auch andere Aufgaben, wie Wartebereiche für Nutzer aus gefährdeten Bereichen oder Wohnflächen in Gemeinschaftsbereichen. Die Breite der Rettungswege muss dann so vergrößert werden, dass es bei einer Räumung eines Bereiches nicht zu Stauungen in den Rettungswegen kommen kann, auch wenn die Bereiche als Rettungsfläche für Nutzer aus gefährdeten Bereichen genutzt werden.
In Anbetracht der existierenden Vorgaben aus der DIN 18040 zur barrierefreien Planung von Gebäuden, müssen keine ergänzenden Bestimmungen festgelegt werden. Die schutzzielbezogene Definition der Rettungswegbreiten, wie sie in Hamburg niedergelegt wurde, erscheint sinnvoll:
"Die erforderliche lichte Breite der Rettungswege darf nicht eingeengt werden. Zur Vermeidung von Stauungen dürfen Ausgänge zu notwendigen Fluren nicht breiter sein als der notwendige Flur. Ausgänge zu notwendigen Treppenräumen dürfen nicht breiter sein als die notwendige Treppe. Ausgänge aus notwendigen Treppenräumen müssen mindestens so breit sein wie die notwendige Treppe." (Hamburg, Anforderungen an den Bau und Betrieb von Schulen, 6/2011, Pkt. 7.4)
Im Zweifelsfall sollte eine kapazitive Berechnung im Rahmen eines Evakuierungsnachweises durchgeführt werden.
Anforderungen an notwendige Treppen
Ergänzend zu den Anforderungen der MBO sind einige zusätzliche Anforderungen an die Ausführung der notwendigen Treppen zu stellen. Diese resultieren aus den besonderen Bedingungen im Zuge der vertikalen Evakuierung gehbehinderter Menschen. Im Gegensatz zur Flucht mit ausschließlich uneingeschränkt beweglichen Personen ist damit zu rechnen, dass die Entstehung eines dynamisch fließenden Personenstroms durch die mobilitätseingeschränkten Personen beeinträchtigt wird.
Bezüglich der Breite der Treppen sollte es immer möglich sein, dass eine langsame Person, im schlechtesten Fall auch ein Rollstuhlfahrer mit einem Helfer, und eine normal bewegliche Person nebeneinander die Treppe nutzen können. Dabei ist für den Rollstuhl eine Breite von 0,90 m und für die mobile Person eine Breite von 0,60 m anzusetzen. Damit ergibt sich für die nutzbare Breite über die gesamte Treppe eine Vorgabe von 1,50 m. Ab mehr als 5 % der Nutzer mit H4- bis H6-Einstufung sollte die notwendige Treppe mit dieser Breite ausgeführt werden. Die Breite ist zwischen den Handläufen zu messen.
Durchgängige Handläufe auf beiden Seiten der Treppe ermöglichen allen Personen deren sichere Nutzung. Ebenso werden Setzstufen für die Treppen verbindlich gefordert.
Zur Umsetzung schneller Löschmaßnahmen ist es notwendig, dass der Löschschlauch schnell an den Einsatzort gebracht werden kann. Das Vorhandensein eines Treppenauges von mindestens 15 cm Breite kann dies erheblich vereinfachen. Aus diesem Grund wird ein Treppenauge mit mindestens 15 cm Breite gefordert. Die Podestbreite sollte mindestens 1,50 m betragen.
Türen in Rettungswegen
Brandschutztüren in Rettungswegen stellen in Einrichtungen mit behinderten Nutzern eine starke Beeinträchtigung im Sicherheitskonzept dar, wenn diese Türen auch ohne direkte Gefahr selbst schließen. Durch die teilweise hohen Kräfte, die zur Öffnung solcher Türen notwendig sind, werden gehbehinderte Menschen massiv in der Selbstrettung beeinträchtigt. Bei Rollstuhlfahrern besteht sogar die Gefahr einer gravierenden Behinderung der Flucht. Die BeRettVO gibt wie folgt vor:
"Türen im Zuge von Rettungswegen müssen von innen durch einen einzigen Griff auch von Behinderten im Rollstuhl in voller Breite zu öffnen sein." (Verordnung über Rettungswege für Behinderte (BehindertenrettungswegeVerordnung – BeRettVO), 15. November1996, §3 (8)
Diese schutzzielorientierte Vorgabe erscheint sinnvoll, die praktische Umsetzbarkeit aber fraglich und sollte daher nicht so gefordert werden.
Eher bietet sich an, Öffnungen in Rettungswegen mit Selbstschließanlagen so zu planen, dass die Türen erst schließen, wenn eine Gefährdung durch Rauch oder Feuer vor der betreffenden Tür detektiert wird. Die Auslösung der Selbstschließung von Brand und Rauchschutztüren im Verlauf von Rettungswegen durch die Brandmeldeanlage ist also zu vermeiden.
Außentreppen
Die meisten Regelungen für Wohnformen aus dem Bereich Pflege lassen Außentreppen als Rettungswege zu:
"Außentreppen sind als zweiter baulicher Rettungsweg zulässig, sofern sie im Brandfall sicher benutzbar sind; diese Forderung ist regelmäßig bei einer im Bereich der Treppe geschlossenen Außenwand erfüllt." (Hinweise des Wirtschaftsministeriums Baden Württemberg über den baulichen Brandschutz in Krankenhäusern und baulichen Anlagen entsprechender Zweckbestimmung, 26.4.2007, Pkt. 3.1.1)
Neben Außentreppen werden in den Regelungen zum Teil auch Dachterrassen und offene Gänge als Rettungswege zugelassen. In Einrichtungen mit behinderten Nutzern stellen diese Optionen jedoch keine praktikablen Alter nativen zu "echten" baulichen Rettungswegen dar. Kognitiv eingeschränkte Kinder werden große Probleme in der Nutzung solcher meist als offene Konstruktion ausgeführten Außentreppen haben. Zudem sollte möglichst sichergestellt werden, dass die Rettungswege auch den im Alltag genutzten Wegen entsprechen. Um Dachterrassen auch für in Panik geratene Kinder sicher zu gestalten, sind hohe Anforderungen an die Sicherheitstechnik notwendig. Zudem stellt sich die Frage, wie die behinderten Nutzer dann vom Dach gerettet werden sollen.
Außentreppen und Dachterrassen können bis zu einer Einstufung H3 als zweiter Rettungsweg anerkannt werden. Ab der H4-Einstufung von Nutzern sind beide baulichen Rettungswege über notwendige Treppen darzustellen.
Kennzeichnung der Rettungswege
Die übliche Kennzeichnung der Rettungswege kann bei Einrichtungen mit sensitiv und kognitiv beeinträchtigten Menschen unter Umständen nicht ausreichen. Es wird gefordert, die Kennzeichnung der Rettungswege auf die Nutzer abzustimmen. Es gilt das Zwei-Sinne-Prinzip, nach dem alle Warnhinweise über zwei Sinne wahrgenommen werden können. Als Beispiel seien fühlbare Richtungspfeile, die in den Handläufen notwendiger Flure integriert sind, genannt.
Quelle: http://nullbarriere.de/barrierefreier-brandschutz-fachbuch.htm
Bild zur Meldung: Rettungswege